Doppelpass für Chancen
Im Gespräch mit dem Vorstand unseres Partners RAG-Stiftung
Seit 2020 ist die RAG-Stiftung Partner der Manuel Neuer Kids Foundation, mitten in der Corona-Krise startete die Zusammenarbeit.
Herr Tönjes, wie kam diese eigentlich zustande?
Bernd Tönjes: Diese vielleicht etwas überraschende Verbindung hat ein eindeutiges und naheliegendes gemeinsames Element: den Fußball. Die RAG-Stiftung ist mit dem Ruhrgebiet und seinen bergmännischen Traditionen eng verbunden. Dazu zählt nicht zuletzt auch die einzigartige Fußballkultur im Revier. In Kooperation mit „Schalke hilft!“ zum Beispiel fördern wir die Sanierung von Bolzplätzen im nördlichen Ruhrgebiet, um den Kindern und Jugendlichen im Quartier neue Freizeitmöglichkeiten zu bieten und neben dem sportlichen Können auch ihre sozialen Kompetenzen zu stärken.
Sport ist ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor. Er zeigt Kindern und Jugendlichen in den ehemaligen Bergbauquartieren neue Perspektiven auf und verbessert die Lebensqualität. Insbesondere Mannschaftssport stärkt gesellschaftlich relevante Kompetenzen, wie Verlässlichkeit, Teamgeist und Toleranz. Ganz wichtig dabei sind Vorbilder. Und gerade Manuel Neuer ist ein Vorbild für viele Kinder und Jugendliche. Ein Weltmeister und Welttorhüter aus Gelsenkirchen-Buer! Wir freuen uns deshalb sehr, dass sich Manuel Neuer über seine Stiftung für chancenbenachteiligte Kinder und Jugendliche in seiner alten Heimat einsetzt und unterstützen ihn dabei gerne.
Stellen Sie uns Ihre Stiftung etwas näher vor, Herr Tönjes. Welche Ziele verfolgen Sie und wie ist Ihre Herangehensweise?
Bernd Tönjes: Wir setzen nachhaltige Impulse für die Transformation der Regionen an Ruhr, Saar und in Ibbenbüren. Bei allen Tätigkeiten sind wir uns unserer Herkunft stets bewusst. Denn die Wurzeln der RAG-Stiftung liegen im Steinkohlenbergbau. Diese Wurzeln fest im Blick, engagiert sich die RAG-Stiftung bei der Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur. Unsere Hauptaufgabe ist allerdings eine andere. Die RAG-Stiftung finanziert die Ewigkeitsaufgaben aus dem deutschen Steinkohlenbergbau.
Diese bestehen aus der Grubenwasserhaltung, aus Poldermaßnahmen und der Grundwasserreinigung. Denn obwohl bereits im Dezember 2018 der Steinkohlenbergbau in Deutschland beendet wurde, hat er die Landschaft in den Revieren über wie unter Tage dauerhaft verändert. Diese Veränderungen bedürfen einer nachhaltigen Bearbeitung, die durch uns finanziert wird. Ohne die Wasserhaltung würde sich das Ruhrgebiet innerhalb von wenigen Jahren in eine Seenlandschaft verwandeln. Somit stiften wir in beiden Aufgabengebieten Zukunft – einmal buchstäblich durch den Erhalt der Lebensgrundlage und dann dadurch, dass wir in den Bergbauregionen einen gestaltenden Auftrag übernehmen.
Frau Bergerhoff-Wodopia, als Förderer der MNKF unterstützen Sie konkrete Projekte in den Kinder- und Jugendhäusern MANUS in Gelsenkirchen und Bottrop: Was genau steckt dahinter und was möchten Sie damit bewirken?
Bärbel Bergerhoff-Wodopia: Die beiden Kinder- und Jugendhäuser bieten nicht nur Bildungsangebote für chancenbenachteiligte Kinder und Jugendliche, sondern zusätzlich auch etwas ganz Elementares, ein warmes Mittagessen. Auch das ist bereits Bildungsförderung – denn mit leerem Magen lernt es sich schlecht. Somit wird mit unserer Förderung die Basis dafür gelegt, dass die Kinder und Jugendlichen zielgerichtet gefördert und in ihrer ganzheitlichen Entwicklung vollumfänglich unterstützt werden können. Beim gemeinsamen Mittagessen werden auch lebenspraktische Fähigkeiten vermittelt, etwa der respektvolle Umgang mit Nahrungsmitteln, aber auch mit den anderen Kindern und Jugendlichen, die mit am Tisch sitzen. Hierbei handelt es sich um soziale Kompetenzen, die im späteren Leben von zentraler Bedeutung sind und gleichzeitig häufig bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen einen zu geringen Stellenwert einnehmen.
Das ist in den Einrichtungen des Kinder- und Jugendhauses MANUS anders. Hinzu kommt ein breites Angebot aus täglicher Hausaufgabenbetreuung, weiteren praktischen Fertigkeiten wie Kochen, Einkaufen oder der Umgang mit Geld und natürlich Sport. Auch die Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen spielen in der pädagogischen Arbeit der Einrichtungen eine Rolle. Auf diese Weise tragen die Kinder- und Jugendhäuser zu gelebter Integration und einem toleranten Miteinander bei – ein wesentliches Ziel unserer Bildungsförderung.
„Zukunft stiften“ lautet Ihr Motto, in Bezug auf unsere Kooperation sprechen wir über die Zukunft von Kindern und Jugendlichen. Was ist Ihnen, Frau Bergerhoff-Wodopia, bei der Unterstützung chancenbenachteiligter junger Menschen besonders wichtig?
Bärbel Bergerhoff-Wodopia: Bildung ist für unsere gesellschaftliche Entwicklung das Kernthema schlechthin. Sie fördert Chancengerechtigkeit, ermöglicht den sozialen Aufstieg und ein selbstbestimmtes Leben. Das deutsche Schulsystem ist leider immer noch nicht in der Lage, jedes Talent unabhängig von seiner sozialen und finanziellen Herkunft zu erkennen und zu fördern. Hier wirkt die Corona-Pandemie wie ein Brandbeschleuniger: denn die Themen der Bildungsungerechtigkeiten sind nicht neu, sie werden unter Pandemie-Bedingungen nur sichtbarer und deutlich verschärft. Dem müssen wir als Gesellschaft verstärkt entgegenwirken. Daher ist eine Kombination aus schulischer und außerschulischer Förderung nötig, gerade für Kinder und Jugendliche, die aus ihrem sozialen Umfeld heraus nur wenig Unterstützung erfahren.
In den Einrichtungen des Kinder- und Jugendhauses MANUS erfolgt diese Förderung professionell und nach einem überzeugenden Ansatz. Alle Kinder und Jugendlichen sind willkommen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind professionell ausgebildet, es gibt ein breites Bildungsangebot, der Blick auf die Kinder ist grundsätzlich positiv und der Förderansatz sehr ressourcenorientiert. Wesentlich ist auch, dass bei allen pädagogischen Fachkräften ein armutssensibles Denken und Handeln verankert ist. Das ist wichtig. Denn Kinder- und Jugendarmut ist auch in Bottrop und Gelsenkirchen leider ein großes Thema. Deshalb ist es der RAG-Stiftung auch besonders wichtig, armutsbedingte Bildungs- und Teilhabebarrieren abzubauen und einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit zu leisten.
Sie haben es selbst erwähnt, Frau Bergerhoff-Wodopia: Die Corona-Pandemie stellt Initiativen und Förderer gleichermaßen vor besondere Herausforderungen. Wie haben Sie auf diese Umstände reagiert?
Bärbel Bergerhoff-Wodopia: Wichtig war für uns als fördernde Institution, den Kontakt zu unseren Initiativen zu halten und als verlässlicher Partner an der Seite unserer Fördernehmer zu stehen. Das erreichen wir zum Beispiel dadurch, dass die RAG-Stiftung es ermöglicht, finanzielle Mittel flexibel und bedarfsgerecht umzuwidmen, etwa für digitales Lernen. So können die bildungsbezogenen Lücken in Teilen geschlossen werden, die durch die Pandemie leider entstanden sind und immer noch entstehen. Bei unserer Kooperation mit der Manuel Neuer Kids Foundation haben wir beispielsweise sehr schnell digitale Endgeräte für die Online-Nachhilfe der Kinder und Jugendlichen beschafft und damit frühzeitig ein Aufholprogramm für schulische Defizite auf die Beine gestellt. Dabei waren die Gelder eigentlich für ganz andere Zwecke vorgesehen. Die Umwidmung hat schnell und unkompliziert funktioniert, weil sich bereits ein Vertrauensverhältnis entwickelt hat, das belastbar ist und über das wir uns sehr freuen.
Nach einem Jahr der Kooperation: Wie fällt Ihr Zwischenfazit der Zusammenarbeit aus, Herr Tönjes? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Bernd Tönjes: Unsere Zusammenarbeit mit der Manuel Neuer Kids Foundation startete in einem
Ausnahmezustand. Es war für uns beeindruckend, mit welchem persönlichen Einsatz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pandemie Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen gehalten und die Arbeit für mehr Chancengerechtigkeit im Revier aufrechterhalten haben.
Nun sind wir sehr neugierig darauf, nach dem Ende der Einschränkungen endlich den Normalbetrieb in den Kinder- und Jugendhäusern kennenzulernen und wünschen uns vor allem eins: volle Häuser und eine tolle Projektarbeit mit so wenig Einschränkungen wie möglich. Sobald es wieder möglich ist, nehmen wir dann auch gerne die Einladung von Manuel Neuer an und machen uns zusammen einen direkten Eindruck der großartigen Arbeit vor Ort.